Freitag, 29. Mai 2015

China macht Schluss mit dem Rauchen

Unmittelbar vor dem Schild, das Rauchen im Zugabteil verbietet, zündet sich der Reisende eine Zigarette an. Der Schaffner kommt, schaut ihn an – und geht kommentarlos weiter. Denn obwohl das Rauchen in öffentlichen Räumen, Schulen und Zügen in der Hauptstadt Chinas bereits verboten ist, hält sich bisher kaum ein Raucher an das Gesetz.

Morgen ist Weltnichtrauchertag. Und kaum irgendwo ist das Thema brisanter als hierzulande, wo 320 Millionen Chinesen über 15 Jahren rauchen. Damit kommt fast jeder Dritte der weltweit insgesamt 1,1 Milliarden Raucher aus der Volksrepublik. Laut dem chinesischen Gesundheitsministerium müssen weitere 740 Millionen Personen in den Familien oder am Arbeitsplatz unfreiwillig mitrauchen.

Damit soll nun Schluss sein: Staatspräsident Xi Jinping, selber Ex-Raucher, will seiner bereits seit vergangenem Jahr laufenden Anti-Rauch-Kampagne zum 1. Juni nun die strengsten Anti-Rauch-Maßnahmen der Geschichte des Landes folgen lassen. Im November 2014 hatte die Stadtverwaltung Beijing bereits eine Richtlinie erlassen, die das Rauchen in allen öffentlichen Gebäuden, an Arbeitsplätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln verbietet. Liu Zejun, Direktor des Komitees der Patriotischen Gesundheitskampagne, sagte, Vollzugsbeamte würden ab 1. Juni kontrollieren, dass das Rauchverbot in der Öffentlichkeit eingehalten würde.

Zudem will China die Steuern auf Zigaretten mehr als verdoppeln. Statt bisher fünf Prozent sind nun elf Prozent Steuern fällig, wie das Finanzministerium jüngst ankündigte. Relativiert wird diese Meldung jedoch bei einem Blick auf die noch immer extrem günstigen Preise: Für ein Päckchen Zigaretten starten diese bereits bei unter einem Euro, nur Import- oder Edelmarken kosten umgerechnet bis zu rund fünf Euro.

Eine groß angelegte Werbekampagne für das Nichtrauchen soll die Anstrengungen unterstützen: Vielerorts klären Plakate über die Folgen der Nikotinsucht auf; auf Chinas beliebter Messaging-App WeChat gibt es einen Account, auf dem die Öffentlichkeit Informationen und Vorschriften zum Rauchen abrufen kann. Follower des Accounts können auch Verstöße gegen das Rauchverbot melden.

Unterstützt wird die Kampagne von zahlreichen Prominenten: Die berühmten chinesischen Fernseh-Moderatoren Jing Yidan und Lang Yongchun sind unter den Botschaftern der Anti-Raucher Bewegung. Auch Bill Gates hat in China zum Kampf gegen das Passivrauchen aufgerufen. In einem Musikvideo von Feng Zhe, Olympiasieger im Geräteturnen, hat der Unternehmer einen Gastauftritt mit wichtiger Botschaft: „Sag nein zum gezwungenen Rauchen“, steht dort auf dem Pullover des Multi-Milliardärs. Unterstützt wird er von Peng Liyuan, Ehefrau von Staatspräsident Xi Jinping, höchstpersönlich.

Ob die Kampagne Erfolg haben wird, sieht Professor Chenguang Wang eher skeptisch. „Gerade im Bereich des Rauchens ist es unmöglich, einfach ein Gesetz zu erlassen“, sagt der Professor, der an der Rechtsfakultät der renommierten Tsinghua Universität in Peking lehrt. „Ein Gesetz basiert immer auch auf sozialen Systemen, man kann es nicht aus dem kulturellen Kontext lösen. Gerade in ländlichen Gebieten ist das Rauchen tief in der chinesischen Kultur verwurzelt“, gibt er zu Bedenken. Für sinnvoller halte er es, wenn sich das neue Gesetz zunächst auf die Großstädte Peking und Schanghai konzentrieren und dann Stück für Stück ausgeweitet würde. „Als nationales Gesetz wird es bei der Größe unseres Landes scheitern“, ist er sich sicher.

Landesweit sterben in China Jahr für Jahr etwa eine Million Menschen an den Folgen des Rauchens, erklärt Moshu Xu vom kardiovaskulären Zentrum des Beijing United Family Hospitals. Unter ihnen ist laut Gesundheitsministerium jeder zehnte ein Opfer des Passivrauchens.

Nach einer Hochrechnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird jedes Jahr bei 3,07 Millionen neuen Patienten erstmals Krebs diagnostiziert. Die Zahl ließe sich ließ laut WHO mit einem entschiedenen Vorgehen gegen Rauchen stark reduzieren.

Dass die Regierung in China bisher nicht stärker durchgegriffen hat, mag auch daran liegen, dass der Staat über das Tabakmonopol verfügt und damit abkassiert: Chinas ist unangefochtene die Nummer Eins auf der Welt in der Produktion von Zigaretten; im Jahr 2012 stiegen die eingenommenen Steuern erstmals umgerechnet über die 100-Milliarden-Euro-Marke, lobte der Chef der staatlichen Tabakverwaltung, Jiang Chenghang, jüngst. Auf dem chinesischen Markt werden derzeit – ohne ausländische Importmarken – 98 verschiedene einheimische Zigarettensorten angeboten. Daran soll sich auch in naher Zukunft nichts ändern.

Dienstag, 26. Mai 2015

Himmlische Stille

Der Himmelstempel in Peking, Mai 2015.
Hier hat der Kaiser auf einer runden Terrasse dem Himmel und seinen Gestirnen im Rahmen eines mehrstündigen Rituals geopfert und um eine gute Ernte für das neue Jahr gebeten.

Montag, 11. Mai 2015

Halbzeit!


Wie schnell die Zeit vergeht, ist mir einmal mehr heute früh aufgefallen. Kaum trete ich aus dem Hauseingang an die frische Luft, blicke ich auf zwei neue Wohnhochhäuser (ok, für China sind es nur Wohnhäuser mittlerer Größe). Als ich vor sechs Wochen in meiner neuen Nachbarschaft angekommen bin, waren diese noch grau, alt, heruntergekommen - viele Wohnungen standen leer.

Bereits als ich vergangene Woche von meiner Reise zurückgekehrt bin, haben die beiden Riesen plötzlich in neuen Farben gestrahlt. Und heute morgen ist mir dann das erste Mal das Leben aufgefallen, das hinter den Scheiben Einzug gehalten hat - die neuen Pflanzen, die Wäsche auf den Balkons, das Licht hinter den frisch geputzten Scheiben.

Die Zeit rast. Kaum irgendwo merkt man das so extrem wie in China.

Auch während meiner Reise in den vergangenen Wochen habe ich viele Orte besucht, an denen die Zeit wie im Handumdrehen vergeht und Bauern sich fragen, wo die neuen Betonklötze vor ihrer Haustür plötzlich herkommen.

Meine letzte Station beispielsweise war Dalian, am Wochenende habe ich die ostchinesische Küstenstadt bei einem Wochenend-Trip besucht. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viele Baustellen gesehen habe wie in Dalian.

Während alte Stadtteile quasi in Trümmern liegen und Bauarbeiter fleißig daran arbeiten, Altes zu erneuern, sprießen entlang der insgesamt 2000 Kilometer langen Küste der Sonderhandelszone vielerorts luxuriöse Wohn-Wolkenkratzer (und hier sprechen wir dann über 30, 40 oder gar mehr Stockwerke) in die Höhe. Den Quadratmeter gibt es hier ab 2500 Euro.

Vom Entwicklungsland China ist hier nichts mehr zu spüren.



 
Wie schnell die Zeit vergeht, habe ich auch gemerkt, als ich gesehen habe, wie viele Tage bereits seit meinem letzten Blogpost vergangen sind. Sechs Wochen bin ich nun bereits hier, Halbzeit quasi. Nur noch wenige Tage stehen mir in der Uni bevor, das Praktikum in der chinesischen Redaktion - da bin ich mir sicher - wird ebenfalls vergehen wie im Flug.

Ich schreibe deshalb viel, halte jedes einzelne Erlebnis fest, überlege, wo ich weitere Geschichten ausgraben kann, frage Interview-Parnter an. Viel Zeit im Reich der Mitte bleibt nicht, das spüre ich, wenn ich jetzt auf die erste Hälfte zurückblicke. Ich gebe deshalb Gas - so wie die Bauarbeiter vor meiner Haustür.




P.S. Ihr habt Lust, zwischendurch auch mal etwas außerhalb des Blogs von mir zu lesen? Für die Ärzte Zeitung habe ich beispielsweise meine Begegnung mit dem Smog in Peking festgehalten. Auf www.aerztezeitung.de erfahrt Ihr in meiner Kolumne regelmäßig, was mir passiert, wo ich im Alltag über Gesundheit stolpere - und wie sich unsere Ansichten darüber zum Teil doch unterscheiden.