Sonntag, 28. Juni 2015

China - ein Land im Umbruch

Meine Zeit im Reich der Mitte ist vergangen wie im Flug. Oder könnt Ihr etwa glauben, dass meine drei Monate in China bereits um sind?

In wenigen Stunden werde ich zum Flughafen aufbrechen. In meinem Koffer habe ich bei meiner Rückkehr nach Deutschland nicht nur Mitbringsel, sondern vor allem eines: zahlreiche neue Erfahrungen.

In spannenden Vorträgen habe ich als „Medienbotschafterin“ der Robert-Bosch-Stiftung über die chinesische Gesellschaft, Politik und Gesundheitsversorgung gelernt. Mit Korrespondenten großer deutscher Tageszeitungen und chinesischen Kollegen habe ich über die Pressefreiheit im Land dikutiert. Und nicht zuletzt habe ich in den vergangenen vier Wochen auch chinesische Redaktionsluft geschnuppert.

Was mir aus den drei Monaten am meisten in Erinnerung bleiben wird, ist der gesellschaftliche Wandel, den der China-Reisende in diesen Jahren quasi mit Händen greifen kann. Westliche Cafes sind gefragter denn je – gleichzeitig blüht die traditionelle Teekultur. Die Straßen der Megastädte sind aufgrund unzähliger Automobil-Neuzulassungen permanent verstopft, die Abgase lassen die Luft an vielen Tagen unerträglich werden – gerade deshalb gründen sich vielerorts Umwelt- und Fahrradinitiativen, die nach Alternativen suchen. Das Interesse an der westlichen Medizin, an ihren Errungenschaften und Behandlungsmethoden, ist größer denn je – und doch sind die Lehren der Traditionellen Chinesischen Medizin stets präsent.

Keine Frage: China ist ein Land im Umbruch. Das habe ich während der vergangenen Wochen einmal mehr - und womöglich deutlicher als je zuvor - gespürt.

Der Wandel hat auch unerfreuliche Folgen: Ich habe deutlich gespürt, dass die Preise seit meines letzten Besuchs vor sechs Jahren in die Höhe gestiegen sind – viel rasanter als es die Löhne getan haben. Kolleginnen haben über die exorbitanten Mietpreise geklagt, die es vielen jungen Chinesen unmöglich machen, aus ihrem Elternhaus auszuziehen. Viele meiner Lieblingsplätze meines letzten Besuchs sehen heute völlig anders aus, andere existieren gar nicht mehr. So habe ich, als ich etwa meine alte Wohnung besuchen wollte, vor einer riesigen Baustelle gestanden. 

Nichtsdestotrotz: Für die Bevölkerung bringt der Umbruch an vielen Stellen bedeutende Vorteile mit sich. Der Wohlstand steigt, die medizinische Versorgung verbessert sich – wenn auch zunächst vor allem in den Metropolregionen. 
Die größte Herausforderung wird für die Regierung in den kommenden Jahren sein, den entstehenden Wohlstand gleichmäßig zu verteilen, sodass auch die Landbevölkerung in den entlegensten Regionen von der Entwicklung profitieren kann.

China ist noch lange nicht am Ziel angekommen. Es lohnt sich also, auch in Zukunft einen Blick nach Osten zu werfen.

Mittwoch, 24. Juni 2015

Wo Chinas Politiker tagen...


Jawohl, es gibt sie: Orte in Peking, an denen ich noch nicht war. Fuer die die Zeit bisher einfach nicht gereicht hat, die womoeglich nicht immer geoeffnet sind - oder von denen ich bisher einfach noch nicht wusste. 
Genau diesen widme ich mich in meinen letzten Wochen in China. So habe ich mit meiner Freundin Julia das einzige Eunuchen-Museum des Landes besucht, einen verlassenen Freizeitpark erkundet - und heute wurde es dann politisch :) 

Die Grosse Halle des Volkes, direkt am Tiananmen-Platz, kann naemlich besucht werden, so lange der Nationale Volkskongress nicht darin tagt. Und das wusste ich waehrend meines letzten Peking-Besuchs noch nicht... als Politologin ist das aber natuerlich ein Ziel, das keinesfalls fehlen darf!

Die Große Halle des Volkes ist eines der symbolträchtigsten Bauwerke der Stadt - und das Innenleben gibt schon einen kleinen Hinweis darauf, wie gut es sich die kommunistischen Abgeordneten gehen lassen, wenn sie sich hier einmal im Jahr treffen. Genau, laut Artikel 61 der Verfassung finden diese Treffen nur einmal jährlich statt - gewöhnlich im März.

Der Volkskongress tagt dann im größten Raum, dem Kongressaal (grosses Bild), der auf 76 mal 60 Metern Fläche seinem chinesischen Namen zufolge mehr als 10.000 Plätze bietet. 
Dabei besteht das politische Gremium "nur" aus rund 3.000 Mitgliedern, womit es aber immer noch das größte Parlament der Welt ist.


 



Das ist aber uebrigens nur ein Ausschnitt aus dem Gebaeude - das 170.000 Quadratmeter große Bauwerk beinhaltet über 300 Säle und Büroräume. 

Es duerfte also auch NACH meinem Besuch noch genug Ecken geben, die ich noch nicht kenne... ;-)

Mittwoch, 10. Juni 2015

Arbeit, Arbeit, Arbeit


Ja, ich gebe es zu. Mit den vergangenen Posts hätte durchaus ein falscher Eindruck entstehen können. Ihr könntet meinen, ich genieße dieses spannende Land in vollen Zügen, erlebe allerhand, reise viel.

Das stimmt zwar - doch das ist eben noch lange nicht alles, was ich mache! Tatsächlich sind die letzten Wochen hier in China vor allem von einem geprägt: Arbeit, Arbeit, Arbeit.

Seit Anfang des Monats läuft meine Hospitanz in der englischsprachigen Redaktion der China Global Times - und, tadaaaa, heute war mein erster Artikel im Wirtschaftsteil zu lesen. Vorgestellt habe ich darin Chinesen, die Teile ihrer Wohnung über die Online-Plattform Airbnb vermieten und damit Fremde in ihr Haus lassen. Ein Geschäft, das in den USA und Europa schon seit Jahren boomt, hier in China aber einen schwierigeren Start hat - auch wegen der großen kulturellen Unterschiede.


 An die Arbeit in der chinesischen Redaktion musste ich mich dabei erst einmal gewöhnen. Die Kollegen - für eine Wirtschaftsredaktion völlig ungewöhnlich, 15 der 16 Kollegen im Team sind weiblich und unter 30 - sind nach den ersten schüchternen Tagen zwar etwas aufgetaut und allesamt sehr nett; wirklich ins Team integrieren wollen sie mich aber nach wie vor nicht so recht. Aber das ist bei der insgesamt nur vierwöchigen Anwesenheit von mir vielleicht auch verständlich.

Noch viel ungewohnter als die anfängliche Ablehnung jedoch ist das Pausenverhalten! Tatsächlich sind zwei Stunden Mittagspause überhaupt keine Seltenheit, wenn wir mittags außerhalb des Büros essen. Meine Kollegin hat mich sogar ausgelacht, als ich ihr sagte, dass in Deutschland eine Stunde, oft auch nur 30 Minuten üblich sind. In dieser Zeit würde man hier in diesem Riesenland, wo auch für ein einfaches Mittagessen im Viertel weite Wege und Menschenmassen überwunden werden müssen, nicht weit kommen (manchmal brauche ich aus dem siebten Stock 15 Minuten nach unten, bis ein Fahrstuhl hält oder er dann auf jeder Etage angehalten hat, nur um zu zeigen, dass die zugelassene Höchstmenge an Passagieren schon bei weitem überschritten ist - da ist laufen mal wieder schneller...).

Nach dem Essen darf dann aber natürlich eines nicht fehlen: der Mittagsschlaf. Tatsächlich stapeln sich auf den kleinen Schreibtisch-Trennwänden unseres Großraumbüros einige Kissen, und wann immer jemand Müdigkeit aufkommen spürt, wird die Tastatur eben abgepolstert und erstmal ein Nickerchen gehalten...
Das kann man zwar erst einmal belächeln (oder gar befremdlich finden), aber gesundheitlich und auch ökonomisch ist es vermutlich sogar erstrebenswerter, ein Power Nap zu halten als sich mit der nächsten Tasse Kaffee durch das Mittagstief zu schlagen!


Nichtsdestotrotz: So in China angekommen, als dass ich es mir ebenfalls auf dem Schreibtisch bequem machen könnte, bin ich nach den zweieinhalb Monaten dann doch noch nicht.

Und so nutze ich die Zeit, die meine Kollegen noch in der Pause sind, ihr Schläfchen halten oder Youtube-Videos am PC schauen, und - genau, richtig - arbeite.
Da macht das Wochenende (und damit die nächste Reise) dann auch doppelt Spaß... ;-)

_______________________________________________________________

PS: Noch ein kleiner Werbeblock für alle, die auch einmal sehen wollen, was neben der Autorenzeile "by Jana Koetter" in der Global Times in den vergangenen Wochen noch entstanden ist: Für Merian.de etwa habe ich meine 10 Reisetipps für Peking verfasst - das dürft Ihr bei einem Besuch auf keinen Fall vergessen...
Und für die Ärzte Zeitung habe ich mit dem aktuellen Mers-Ausbruch, der hier in China - wegen der Erinnerung an SARS 2002 - besonders aufmerksam beobachtet wird, auch tagesaktuell für Deutschland zu tun. Doch auch Unterhaltsames gibt es dort von mir, etwa mein Chinesisches Tagebuch, das auch Ihr unter www.aerztezeitung.de regelmäßig lesen könnt. Dort schreibe ich über lustige Anekdoten aus dem Alltag, die allesamt einen Bezug zu Gesundheit und Medizin haben. Schaut doch mal in den neuesten Teil rein - oder wusstet Ihr schon, dass Eure Blutgruppe (zumindest nach chinesischer Auffassung) allerhand über Euren Charakter sagen kann? ;-)



Sonntag, 7. Juni 2015

Ein Buddha der Superlative


Ein kleines Suchbild zum Wochenanfang: Findet Ihr die Menschen? Jawohl, ganz oben rechts stehen sie dicht an dicht gedrängt, um dem Buddha in die Augen zu sehen.

Dass der Andrang so groß ist, ist dabei kein Wunder: Denn der Große Buddha von Leshan in der Provinz Sichuan ist nicht nur groß, er ist das größte Buddhabildnis der Welt. 71 Meter ist er hoch, 24 Meter breit. Allein ein Ohr misst sieben Meter, und ein Zehennagel ist mit 1,60 Meter größer als manch ein Besucher!

Und nicht nur ein Suchbild, nein auch noch einen Fetzen aus der Kategorie "Unnützes Wissen" gibt es zu diesem Bild :) Achtet doch einmal auf die so Buddha-untypische Handhaltung -  normalerweise würde solch eine Persönlichkeit immer eine elegante Handhaltung zum Meditieren einnehmen. Doch statisch hat die Statue die rund 1000 Arbeiter, die sie 80 Jahre lang in den Fels geschlagen haben, vor eine echte Herausforderung gestellt. Und so sitzt der Buddha nicht nur stocksteif an den Fels gelehnt, sondern lässt seine Hände auch ganz enspannt auf den Knien ruhen.

Wer braucht bei solch einer Größe schon die ansonsten so wichtige Symbolik? :)

Donnerstag, 4. Juni 2015

Auf den Spuren von Konfuzius

Drei Tage ist das neue Antirauch-Gesetz in China bereits in Kraft, und geändert hat sich bisher - nichts. Tatsächlich raucht der Nebenmann im Restaurant weiterhin, ebenso der Zugreisende, der am Bahnhof kurz vor der Abfahrt der Zuges noch eine anzündet. Von strengeren Kontrollen ist - zumindest bisher - keine Spur. (Nicht, dass ich das erwartet hätte.)

"Das Lernen ist wie ein Meer ohne Ufer."

Dieses Zitat stammt von Konfuzius - und vielleicht hätte er solch eine Weisheit auch auf die Frage, wie China in Zukunft ein moderndes, nachhaltiges Gesundheitssystem aufbauen kann, gesagt. Denn von heute auf morgen ist eine solche Kampagne eben nicht durchzusetzen - auch nicht im autoritären China.

So, damit aber genug Politisches, Philosophisches, Plattes... Denn das Konfuzius-Zitat habe ich eigentlich nur aus der Schublade geholt, weil ich am Wochenende den Spuren des großen chinesischen Denkers nachgegangen bin.


Gemeinsam mit meiner Freundin Julia bin ich am Samstagmorgen mit dem Schnellzug - durch Chinas Norden führen mittlerweile 10.000 Kilometer dieses bequemen Verkehrsnetzes - nach Qufu aufgebrochen. 

In der "Konfuziusstadt" haben zahlreiche Sehenswürdigkeiten mit dem "Großen Meister" zu tun, der hier geboren und 479 v. Chr. zu Grabe getragen wurde.
So steht in Qufu etwa der größte und gleichzeitig älteste Konfuziustempel der Erde. Die 650 Meter lange Anlage mit ihren zwei Dutzend Toren, hohen Hallen und knorrigen Baumveteranen ist grandios und in jedem Fall einen Besuch Wert - was sich jedoch auch zahlreiche chinesische Touristengruppen dachten, die sich an diesem Wochenende durch weite Teile der Anlage geschoben haben.

Ruhiger geht es hingegen an der Grabstätte des chinesischen Philosophen zu - bleibt man nicht, wie es viele Besucher tun, am eigentlichen Grab stehen, sondern geht noch einige Schritte weiter. Denn dieses liegt gemeinsam mit den Ruhestätten der Nachfahren der Kong-Sippe auf einem riesigen, verwilderten Friedhof, der größer ist als die gesamte Altstadt - und damit wohl der älteste heute noch genutzte Friedhof der Welt. Auf einem drei Kilometer langen Rundweg können Besucher die Stille dieses einmaligen Parks, das Grün der dichten Fauna und das Zwitschern der Vögel genießen, bevor sie sich wieder zurück in den Trubel der Kleinstadt stürzen.



Tatsächlich ging es in Qufu selber keinesfalls ruhig zu. Im Gegenteil: Die Stadt ist zwar ein absolutes Muss für chinesische Touristen, Ausländer verirren sich hier jedoch nicht allzu oft hin. Und so wurden Julia und ich zum Teil so intensiv angestarrt, gemustert und fotografiert, dass es uns zu viel wurde.

Am Abend versuchte eine Wirtin dann sogar glatt, uns über den Tisch zu ziehen! 
Erschöpft hatten wir in einer gemütlichen Garküche an einem Straßenrand zwei Bier und drei Gemüsegerichte bestellt - in Peking würde das in solch einer urigen Atmosphäre rund 50 Yuan (7,50 Euro) kosten. In Qufu also erheblich weniger - oder? 
Die Wirtin, eine auf den ersten Blick nette Frau um die 60, dachte sich aber wohl, dass sie mit den zwei Langnasen ein Geschäft machen könnte. 100 Yuan (15 Euro) sollten wir zahlen! Aber nicht mit uns: Sofort haben wir widersprochen, diskutiert, schließlich sogar den Nachbartisch einbezogen: Als wir denen nämlich erzählten, dass die Flasche Bier angeblich 20 Yuan kosten sollte, haben die Einheimischen nur verwundert geschaut. Kein Wunder, hätte sich doch kein Wirt getraut, Chinesen solch eine Rechnung aufzumachen.
Also haben Julia und ich der Dame kurzerhand 50 Yuan in die Hand gedrückt und sind satt gegessen, aber doch ein wenig enttäuscht nach Haus.

Das ist mir in all meiner Zeit in China noch nirgends passiert - und dann in der Stadt des Konfuzius, dessen Ideal in all seinen Lehren doch stets der "Edle", also ein moralisch einwandfreier Mensch, war... 
Aber wie sagte Konfuzius so schön? 

"Der sittliche Mensch liebt seine Seele, der gewöhnliche sein Eigentum."