Sonntag, 28. Juni 2015

China - ein Land im Umbruch

Meine Zeit im Reich der Mitte ist vergangen wie im Flug. Oder könnt Ihr etwa glauben, dass meine drei Monate in China bereits um sind?

In wenigen Stunden werde ich zum Flughafen aufbrechen. In meinem Koffer habe ich bei meiner Rückkehr nach Deutschland nicht nur Mitbringsel, sondern vor allem eines: zahlreiche neue Erfahrungen.

In spannenden Vorträgen habe ich als „Medienbotschafterin“ der Robert-Bosch-Stiftung über die chinesische Gesellschaft, Politik und Gesundheitsversorgung gelernt. Mit Korrespondenten großer deutscher Tageszeitungen und chinesischen Kollegen habe ich über die Pressefreiheit im Land dikutiert. Und nicht zuletzt habe ich in den vergangenen vier Wochen auch chinesische Redaktionsluft geschnuppert.

Was mir aus den drei Monaten am meisten in Erinnerung bleiben wird, ist der gesellschaftliche Wandel, den der China-Reisende in diesen Jahren quasi mit Händen greifen kann. Westliche Cafes sind gefragter denn je – gleichzeitig blüht die traditionelle Teekultur. Die Straßen der Megastädte sind aufgrund unzähliger Automobil-Neuzulassungen permanent verstopft, die Abgase lassen die Luft an vielen Tagen unerträglich werden – gerade deshalb gründen sich vielerorts Umwelt- und Fahrradinitiativen, die nach Alternativen suchen. Das Interesse an der westlichen Medizin, an ihren Errungenschaften und Behandlungsmethoden, ist größer denn je – und doch sind die Lehren der Traditionellen Chinesischen Medizin stets präsent.

Keine Frage: China ist ein Land im Umbruch. Das habe ich während der vergangenen Wochen einmal mehr - und womöglich deutlicher als je zuvor - gespürt.

Der Wandel hat auch unerfreuliche Folgen: Ich habe deutlich gespürt, dass die Preise seit meines letzten Besuchs vor sechs Jahren in die Höhe gestiegen sind – viel rasanter als es die Löhne getan haben. Kolleginnen haben über die exorbitanten Mietpreise geklagt, die es vielen jungen Chinesen unmöglich machen, aus ihrem Elternhaus auszuziehen. Viele meiner Lieblingsplätze meines letzten Besuchs sehen heute völlig anders aus, andere existieren gar nicht mehr. So habe ich, als ich etwa meine alte Wohnung besuchen wollte, vor einer riesigen Baustelle gestanden. 

Nichtsdestotrotz: Für die Bevölkerung bringt der Umbruch an vielen Stellen bedeutende Vorteile mit sich. Der Wohlstand steigt, die medizinische Versorgung verbessert sich – wenn auch zunächst vor allem in den Metropolregionen. 
Die größte Herausforderung wird für die Regierung in den kommenden Jahren sein, den entstehenden Wohlstand gleichmäßig zu verteilen, sodass auch die Landbevölkerung in den entlegensten Regionen von der Entwicklung profitieren kann.

China ist noch lange nicht am Ziel angekommen. Es lohnt sich also, auch in Zukunft einen Blick nach Osten zu werfen.

Mittwoch, 24. Juni 2015

Wo Chinas Politiker tagen...


Jawohl, es gibt sie: Orte in Peking, an denen ich noch nicht war. Fuer die die Zeit bisher einfach nicht gereicht hat, die womoeglich nicht immer geoeffnet sind - oder von denen ich bisher einfach noch nicht wusste. 
Genau diesen widme ich mich in meinen letzten Wochen in China. So habe ich mit meiner Freundin Julia das einzige Eunuchen-Museum des Landes besucht, einen verlassenen Freizeitpark erkundet - und heute wurde es dann politisch :) 

Die Grosse Halle des Volkes, direkt am Tiananmen-Platz, kann naemlich besucht werden, so lange der Nationale Volkskongress nicht darin tagt. Und das wusste ich waehrend meines letzten Peking-Besuchs noch nicht... als Politologin ist das aber natuerlich ein Ziel, das keinesfalls fehlen darf!

Die Große Halle des Volkes ist eines der symbolträchtigsten Bauwerke der Stadt - und das Innenleben gibt schon einen kleinen Hinweis darauf, wie gut es sich die kommunistischen Abgeordneten gehen lassen, wenn sie sich hier einmal im Jahr treffen. Genau, laut Artikel 61 der Verfassung finden diese Treffen nur einmal jährlich statt - gewöhnlich im März.

Der Volkskongress tagt dann im größten Raum, dem Kongressaal (grosses Bild), der auf 76 mal 60 Metern Fläche seinem chinesischen Namen zufolge mehr als 10.000 Plätze bietet. 
Dabei besteht das politische Gremium "nur" aus rund 3.000 Mitgliedern, womit es aber immer noch das größte Parlament der Welt ist.


 



Das ist aber uebrigens nur ein Ausschnitt aus dem Gebaeude - das 170.000 Quadratmeter große Bauwerk beinhaltet über 300 Säle und Büroräume. 

Es duerfte also auch NACH meinem Besuch noch genug Ecken geben, die ich noch nicht kenne... ;-)

Mittwoch, 10. Juni 2015

Arbeit, Arbeit, Arbeit


Ja, ich gebe es zu. Mit den vergangenen Posts hätte durchaus ein falscher Eindruck entstehen können. Ihr könntet meinen, ich genieße dieses spannende Land in vollen Zügen, erlebe allerhand, reise viel.

Das stimmt zwar - doch das ist eben noch lange nicht alles, was ich mache! Tatsächlich sind die letzten Wochen hier in China vor allem von einem geprägt: Arbeit, Arbeit, Arbeit.

Seit Anfang des Monats läuft meine Hospitanz in der englischsprachigen Redaktion der China Global Times - und, tadaaaa, heute war mein erster Artikel im Wirtschaftsteil zu lesen. Vorgestellt habe ich darin Chinesen, die Teile ihrer Wohnung über die Online-Plattform Airbnb vermieten und damit Fremde in ihr Haus lassen. Ein Geschäft, das in den USA und Europa schon seit Jahren boomt, hier in China aber einen schwierigeren Start hat - auch wegen der großen kulturellen Unterschiede.


 An die Arbeit in der chinesischen Redaktion musste ich mich dabei erst einmal gewöhnen. Die Kollegen - für eine Wirtschaftsredaktion völlig ungewöhnlich, 15 der 16 Kollegen im Team sind weiblich und unter 30 - sind nach den ersten schüchternen Tagen zwar etwas aufgetaut und allesamt sehr nett; wirklich ins Team integrieren wollen sie mich aber nach wie vor nicht so recht. Aber das ist bei der insgesamt nur vierwöchigen Anwesenheit von mir vielleicht auch verständlich.

Noch viel ungewohnter als die anfängliche Ablehnung jedoch ist das Pausenverhalten! Tatsächlich sind zwei Stunden Mittagspause überhaupt keine Seltenheit, wenn wir mittags außerhalb des Büros essen. Meine Kollegin hat mich sogar ausgelacht, als ich ihr sagte, dass in Deutschland eine Stunde, oft auch nur 30 Minuten üblich sind. In dieser Zeit würde man hier in diesem Riesenland, wo auch für ein einfaches Mittagessen im Viertel weite Wege und Menschenmassen überwunden werden müssen, nicht weit kommen (manchmal brauche ich aus dem siebten Stock 15 Minuten nach unten, bis ein Fahrstuhl hält oder er dann auf jeder Etage angehalten hat, nur um zu zeigen, dass die zugelassene Höchstmenge an Passagieren schon bei weitem überschritten ist - da ist laufen mal wieder schneller...).

Nach dem Essen darf dann aber natürlich eines nicht fehlen: der Mittagsschlaf. Tatsächlich stapeln sich auf den kleinen Schreibtisch-Trennwänden unseres Großraumbüros einige Kissen, und wann immer jemand Müdigkeit aufkommen spürt, wird die Tastatur eben abgepolstert und erstmal ein Nickerchen gehalten...
Das kann man zwar erst einmal belächeln (oder gar befremdlich finden), aber gesundheitlich und auch ökonomisch ist es vermutlich sogar erstrebenswerter, ein Power Nap zu halten als sich mit der nächsten Tasse Kaffee durch das Mittagstief zu schlagen!


Nichtsdestotrotz: So in China angekommen, als dass ich es mir ebenfalls auf dem Schreibtisch bequem machen könnte, bin ich nach den zweieinhalb Monaten dann doch noch nicht.

Und so nutze ich die Zeit, die meine Kollegen noch in der Pause sind, ihr Schläfchen halten oder Youtube-Videos am PC schauen, und - genau, richtig - arbeite.
Da macht das Wochenende (und damit die nächste Reise) dann auch doppelt Spaß... ;-)

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PS: Noch ein kleiner Werbeblock für alle, die auch einmal sehen wollen, was neben der Autorenzeile "by Jana Koetter" in der Global Times in den vergangenen Wochen noch entstanden ist: Für Merian.de etwa habe ich meine 10 Reisetipps für Peking verfasst - das dürft Ihr bei einem Besuch auf keinen Fall vergessen...
Und für die Ärzte Zeitung habe ich mit dem aktuellen Mers-Ausbruch, der hier in China - wegen der Erinnerung an SARS 2002 - besonders aufmerksam beobachtet wird, auch tagesaktuell für Deutschland zu tun. Doch auch Unterhaltsames gibt es dort von mir, etwa mein Chinesisches Tagebuch, das auch Ihr unter www.aerztezeitung.de regelmäßig lesen könnt. Dort schreibe ich über lustige Anekdoten aus dem Alltag, die allesamt einen Bezug zu Gesundheit und Medizin haben. Schaut doch mal in den neuesten Teil rein - oder wusstet Ihr schon, dass Eure Blutgruppe (zumindest nach chinesischer Auffassung) allerhand über Euren Charakter sagen kann? ;-)



Sonntag, 7. Juni 2015

Ein Buddha der Superlative


Ein kleines Suchbild zum Wochenanfang: Findet Ihr die Menschen? Jawohl, ganz oben rechts stehen sie dicht an dicht gedrängt, um dem Buddha in die Augen zu sehen.

Dass der Andrang so groß ist, ist dabei kein Wunder: Denn der Große Buddha von Leshan in der Provinz Sichuan ist nicht nur groß, er ist das größte Buddhabildnis der Welt. 71 Meter ist er hoch, 24 Meter breit. Allein ein Ohr misst sieben Meter, und ein Zehennagel ist mit 1,60 Meter größer als manch ein Besucher!

Und nicht nur ein Suchbild, nein auch noch einen Fetzen aus der Kategorie "Unnützes Wissen" gibt es zu diesem Bild :) Achtet doch einmal auf die so Buddha-untypische Handhaltung -  normalerweise würde solch eine Persönlichkeit immer eine elegante Handhaltung zum Meditieren einnehmen. Doch statisch hat die Statue die rund 1000 Arbeiter, die sie 80 Jahre lang in den Fels geschlagen haben, vor eine echte Herausforderung gestellt. Und so sitzt der Buddha nicht nur stocksteif an den Fels gelehnt, sondern lässt seine Hände auch ganz enspannt auf den Knien ruhen.

Wer braucht bei solch einer Größe schon die ansonsten so wichtige Symbolik? :)

Donnerstag, 4. Juni 2015

Auf den Spuren von Konfuzius

Drei Tage ist das neue Antirauch-Gesetz in China bereits in Kraft, und geändert hat sich bisher - nichts. Tatsächlich raucht der Nebenmann im Restaurant weiterhin, ebenso der Zugreisende, der am Bahnhof kurz vor der Abfahrt der Zuges noch eine anzündet. Von strengeren Kontrollen ist - zumindest bisher - keine Spur. (Nicht, dass ich das erwartet hätte.)

"Das Lernen ist wie ein Meer ohne Ufer."

Dieses Zitat stammt von Konfuzius - und vielleicht hätte er solch eine Weisheit auch auf die Frage, wie China in Zukunft ein moderndes, nachhaltiges Gesundheitssystem aufbauen kann, gesagt. Denn von heute auf morgen ist eine solche Kampagne eben nicht durchzusetzen - auch nicht im autoritären China.

So, damit aber genug Politisches, Philosophisches, Plattes... Denn das Konfuzius-Zitat habe ich eigentlich nur aus der Schublade geholt, weil ich am Wochenende den Spuren des großen chinesischen Denkers nachgegangen bin.


Gemeinsam mit meiner Freundin Julia bin ich am Samstagmorgen mit dem Schnellzug - durch Chinas Norden führen mittlerweile 10.000 Kilometer dieses bequemen Verkehrsnetzes - nach Qufu aufgebrochen. 

In der "Konfuziusstadt" haben zahlreiche Sehenswürdigkeiten mit dem "Großen Meister" zu tun, der hier geboren und 479 v. Chr. zu Grabe getragen wurde.
So steht in Qufu etwa der größte und gleichzeitig älteste Konfuziustempel der Erde. Die 650 Meter lange Anlage mit ihren zwei Dutzend Toren, hohen Hallen und knorrigen Baumveteranen ist grandios und in jedem Fall einen Besuch Wert - was sich jedoch auch zahlreiche chinesische Touristengruppen dachten, die sich an diesem Wochenende durch weite Teile der Anlage geschoben haben.

Ruhiger geht es hingegen an der Grabstätte des chinesischen Philosophen zu - bleibt man nicht, wie es viele Besucher tun, am eigentlichen Grab stehen, sondern geht noch einige Schritte weiter. Denn dieses liegt gemeinsam mit den Ruhestätten der Nachfahren der Kong-Sippe auf einem riesigen, verwilderten Friedhof, der größer ist als die gesamte Altstadt - und damit wohl der älteste heute noch genutzte Friedhof der Welt. Auf einem drei Kilometer langen Rundweg können Besucher die Stille dieses einmaligen Parks, das Grün der dichten Fauna und das Zwitschern der Vögel genießen, bevor sie sich wieder zurück in den Trubel der Kleinstadt stürzen.



Tatsächlich ging es in Qufu selber keinesfalls ruhig zu. Im Gegenteil: Die Stadt ist zwar ein absolutes Muss für chinesische Touristen, Ausländer verirren sich hier jedoch nicht allzu oft hin. Und so wurden Julia und ich zum Teil so intensiv angestarrt, gemustert und fotografiert, dass es uns zu viel wurde.

Am Abend versuchte eine Wirtin dann sogar glatt, uns über den Tisch zu ziehen! 
Erschöpft hatten wir in einer gemütlichen Garküche an einem Straßenrand zwei Bier und drei Gemüsegerichte bestellt - in Peking würde das in solch einer urigen Atmosphäre rund 50 Yuan (7,50 Euro) kosten. In Qufu also erheblich weniger - oder? 
Die Wirtin, eine auf den ersten Blick nette Frau um die 60, dachte sich aber wohl, dass sie mit den zwei Langnasen ein Geschäft machen könnte. 100 Yuan (15 Euro) sollten wir zahlen! Aber nicht mit uns: Sofort haben wir widersprochen, diskutiert, schließlich sogar den Nachbartisch einbezogen: Als wir denen nämlich erzählten, dass die Flasche Bier angeblich 20 Yuan kosten sollte, haben die Einheimischen nur verwundert geschaut. Kein Wunder, hätte sich doch kein Wirt getraut, Chinesen solch eine Rechnung aufzumachen.
Also haben Julia und ich der Dame kurzerhand 50 Yuan in die Hand gedrückt und sind satt gegessen, aber doch ein wenig enttäuscht nach Haus.

Das ist mir in all meiner Zeit in China noch nirgends passiert - und dann in der Stadt des Konfuzius, dessen Ideal in all seinen Lehren doch stets der "Edle", also ein moralisch einwandfreier Mensch, war... 
Aber wie sagte Konfuzius so schön? 

"Der sittliche Mensch liebt seine Seele, der gewöhnliche sein Eigentum."




 

Freitag, 29. Mai 2015

China macht Schluss mit dem Rauchen

Unmittelbar vor dem Schild, das Rauchen im Zugabteil verbietet, zündet sich der Reisende eine Zigarette an. Der Schaffner kommt, schaut ihn an – und geht kommentarlos weiter. Denn obwohl das Rauchen in öffentlichen Räumen, Schulen und Zügen in der Hauptstadt Chinas bereits verboten ist, hält sich bisher kaum ein Raucher an das Gesetz.

Morgen ist Weltnichtrauchertag. Und kaum irgendwo ist das Thema brisanter als hierzulande, wo 320 Millionen Chinesen über 15 Jahren rauchen. Damit kommt fast jeder Dritte der weltweit insgesamt 1,1 Milliarden Raucher aus der Volksrepublik. Laut dem chinesischen Gesundheitsministerium müssen weitere 740 Millionen Personen in den Familien oder am Arbeitsplatz unfreiwillig mitrauchen.

Damit soll nun Schluss sein: Staatspräsident Xi Jinping, selber Ex-Raucher, will seiner bereits seit vergangenem Jahr laufenden Anti-Rauch-Kampagne zum 1. Juni nun die strengsten Anti-Rauch-Maßnahmen der Geschichte des Landes folgen lassen. Im November 2014 hatte die Stadtverwaltung Beijing bereits eine Richtlinie erlassen, die das Rauchen in allen öffentlichen Gebäuden, an Arbeitsplätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln verbietet. Liu Zejun, Direktor des Komitees der Patriotischen Gesundheitskampagne, sagte, Vollzugsbeamte würden ab 1. Juni kontrollieren, dass das Rauchverbot in der Öffentlichkeit eingehalten würde.

Zudem will China die Steuern auf Zigaretten mehr als verdoppeln. Statt bisher fünf Prozent sind nun elf Prozent Steuern fällig, wie das Finanzministerium jüngst ankündigte. Relativiert wird diese Meldung jedoch bei einem Blick auf die noch immer extrem günstigen Preise: Für ein Päckchen Zigaretten starten diese bereits bei unter einem Euro, nur Import- oder Edelmarken kosten umgerechnet bis zu rund fünf Euro.

Eine groß angelegte Werbekampagne für das Nichtrauchen soll die Anstrengungen unterstützen: Vielerorts klären Plakate über die Folgen der Nikotinsucht auf; auf Chinas beliebter Messaging-App WeChat gibt es einen Account, auf dem die Öffentlichkeit Informationen und Vorschriften zum Rauchen abrufen kann. Follower des Accounts können auch Verstöße gegen das Rauchverbot melden.

Unterstützt wird die Kampagne von zahlreichen Prominenten: Die berühmten chinesischen Fernseh-Moderatoren Jing Yidan und Lang Yongchun sind unter den Botschaftern der Anti-Raucher Bewegung. Auch Bill Gates hat in China zum Kampf gegen das Passivrauchen aufgerufen. In einem Musikvideo von Feng Zhe, Olympiasieger im Geräteturnen, hat der Unternehmer einen Gastauftritt mit wichtiger Botschaft: „Sag nein zum gezwungenen Rauchen“, steht dort auf dem Pullover des Multi-Milliardärs. Unterstützt wird er von Peng Liyuan, Ehefrau von Staatspräsident Xi Jinping, höchstpersönlich.

Ob die Kampagne Erfolg haben wird, sieht Professor Chenguang Wang eher skeptisch. „Gerade im Bereich des Rauchens ist es unmöglich, einfach ein Gesetz zu erlassen“, sagt der Professor, der an der Rechtsfakultät der renommierten Tsinghua Universität in Peking lehrt. „Ein Gesetz basiert immer auch auf sozialen Systemen, man kann es nicht aus dem kulturellen Kontext lösen. Gerade in ländlichen Gebieten ist das Rauchen tief in der chinesischen Kultur verwurzelt“, gibt er zu Bedenken. Für sinnvoller halte er es, wenn sich das neue Gesetz zunächst auf die Großstädte Peking und Schanghai konzentrieren und dann Stück für Stück ausgeweitet würde. „Als nationales Gesetz wird es bei der Größe unseres Landes scheitern“, ist er sich sicher.

Landesweit sterben in China Jahr für Jahr etwa eine Million Menschen an den Folgen des Rauchens, erklärt Moshu Xu vom kardiovaskulären Zentrum des Beijing United Family Hospitals. Unter ihnen ist laut Gesundheitsministerium jeder zehnte ein Opfer des Passivrauchens.

Nach einer Hochrechnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird jedes Jahr bei 3,07 Millionen neuen Patienten erstmals Krebs diagnostiziert. Die Zahl ließe sich ließ laut WHO mit einem entschiedenen Vorgehen gegen Rauchen stark reduzieren.

Dass die Regierung in China bisher nicht stärker durchgegriffen hat, mag auch daran liegen, dass der Staat über das Tabakmonopol verfügt und damit abkassiert: Chinas ist unangefochtene die Nummer Eins auf der Welt in der Produktion von Zigaretten; im Jahr 2012 stiegen die eingenommenen Steuern erstmals umgerechnet über die 100-Milliarden-Euro-Marke, lobte der Chef der staatlichen Tabakverwaltung, Jiang Chenghang, jüngst. Auf dem chinesischen Markt werden derzeit – ohne ausländische Importmarken – 98 verschiedene einheimische Zigarettensorten angeboten. Daran soll sich auch in naher Zukunft nichts ändern.

Dienstag, 26. Mai 2015

Himmlische Stille

Der Himmelstempel in Peking, Mai 2015.
Hier hat der Kaiser auf einer runden Terrasse dem Himmel und seinen Gestirnen im Rahmen eines mehrstündigen Rituals geopfert und um eine gute Ernte für das neue Jahr gebeten.

Montag, 11. Mai 2015

Halbzeit!


Wie schnell die Zeit vergeht, ist mir einmal mehr heute früh aufgefallen. Kaum trete ich aus dem Hauseingang an die frische Luft, blicke ich auf zwei neue Wohnhochhäuser (ok, für China sind es nur Wohnhäuser mittlerer Größe). Als ich vor sechs Wochen in meiner neuen Nachbarschaft angekommen bin, waren diese noch grau, alt, heruntergekommen - viele Wohnungen standen leer.

Bereits als ich vergangene Woche von meiner Reise zurückgekehrt bin, haben die beiden Riesen plötzlich in neuen Farben gestrahlt. Und heute morgen ist mir dann das erste Mal das Leben aufgefallen, das hinter den Scheiben Einzug gehalten hat - die neuen Pflanzen, die Wäsche auf den Balkons, das Licht hinter den frisch geputzten Scheiben.

Die Zeit rast. Kaum irgendwo merkt man das so extrem wie in China.

Auch während meiner Reise in den vergangenen Wochen habe ich viele Orte besucht, an denen die Zeit wie im Handumdrehen vergeht und Bauern sich fragen, wo die neuen Betonklötze vor ihrer Haustür plötzlich herkommen.

Meine letzte Station beispielsweise war Dalian, am Wochenende habe ich die ostchinesische Küstenstadt bei einem Wochenend-Trip besucht. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viele Baustellen gesehen habe wie in Dalian.

Während alte Stadtteile quasi in Trümmern liegen und Bauarbeiter fleißig daran arbeiten, Altes zu erneuern, sprießen entlang der insgesamt 2000 Kilometer langen Küste der Sonderhandelszone vielerorts luxuriöse Wohn-Wolkenkratzer (und hier sprechen wir dann über 30, 40 oder gar mehr Stockwerke) in die Höhe. Den Quadratmeter gibt es hier ab 2500 Euro.

Vom Entwicklungsland China ist hier nichts mehr zu spüren.



 
Wie schnell die Zeit vergeht, habe ich auch gemerkt, als ich gesehen habe, wie viele Tage bereits seit meinem letzten Blogpost vergangen sind. Sechs Wochen bin ich nun bereits hier, Halbzeit quasi. Nur noch wenige Tage stehen mir in der Uni bevor, das Praktikum in der chinesischen Redaktion - da bin ich mir sicher - wird ebenfalls vergehen wie im Flug.

Ich schreibe deshalb viel, halte jedes einzelne Erlebnis fest, überlege, wo ich weitere Geschichten ausgraben kann, frage Interview-Parnter an. Viel Zeit im Reich der Mitte bleibt nicht, das spüre ich, wenn ich jetzt auf die erste Hälfte zurückblicke. Ich gebe deshalb Gas - so wie die Bauarbeiter vor meiner Haustür.




P.S. Ihr habt Lust, zwischendurch auch mal etwas außerhalb des Blogs von mir zu lesen? Für die Ärzte Zeitung habe ich beispielsweise meine Begegnung mit dem Smog in Peking festgehalten. Auf www.aerztezeitung.de erfahrt Ihr in meiner Kolumne regelmäßig, was mir passiert, wo ich im Alltag über Gesundheit stolpere - und wie sich unsere Ansichten darüber zum Teil doch unterscheiden. 

Samstag, 25. April 2015

Wenn eine(r) eine Reise tut...

Gut 2500 Kilometer in einer Woche - klingt viel, ist es auch. Und genau das ist mein Ziel für die kommenden sieben Tage.

Seit gestern bin ich wieder allein unterwegs. Das ist schön, heißt es doch, Pause machen und innehalten zu können, wann immer man es mag. Andererseits muss ich sagen, dass die gemeinsame Woche in Qingdao großen Spaß gemacht hat. Unsere Journalisten-Gruppe harmonisiert so toll, dass sogar ich, die ja doch ab und zu Einzelgänger-Bestrebungen aufweist, den freien Tag mit den anderen Stipendiaten der Robert-Bosch-Stiftung verbracht habe!

Jetzt bin ich also wieder auf mich allein gestellt. Und habe in den kommenden Tagen bis zum Start des zweiten Unterrichtsblocks an der Tsinghua Universität in Peking allerhand vor...

Mein Vorsatz: Ich will die Reise so günstig wie möglich begehen. Der moderne, komfortable Hochgeschwindigkeitszug, der mittlerweile viele Städte verbindet, ist damit Tabu - ebenso wie Hotelzimmer. Stattdessen habe ich mich in Jugendherbergen eingemietet und reise auf dem "Hard Seat", der günstigsten Kategorie der alten Züge. Mit allen Bekanntschaften, Essensgeräuschen und -gerüchen, die diese Art der Reise beinhaltet.

Bon voyage! :)


Freitag, 24. April 2015

Qingdao: Ein Stück Deutschland in China


Aufatmen und Seeluft genießen! Das war unser erster Gedanke, als meine Kollegen und ich zu Beginn der Woche in der ostchinesischen Küstenstadt Qingdao ankamen. Nach der ersten leidvollen Begegnung mit Pekings Smog genossen wir den blauen Himmel und konnten gar nicht genug bekommen von der frischen Meeresbrise.

Damit waren wir auch nicht die einzigen: Schon am frühen Morgen war der Strand in der ehemaligen deutschen Kolonie belebt - nicht nur dank der rund 40 Millionen Touristen, die die Stadt jedes Jahr besuchen, sondern vor allem dank der rüstigen Einheimischen, die sich mit ihrer morgendlichen Gymnastik am Strand fithalten. Da sind Jogger ebenso zu beobachten wie Volleyballspieler, tapfere Schwimmer im noch eisig kalten Meer ebenso wie sanft übende Tai Chi-Gruppen.

Am meisten überrascht hat mich jedoch das Open-Air-Fitnessstudio am Badestrand: Sichtlich in die Jahre gekommen, zum Teil verrostet, die Polster zerschlissen – doch ihren Zweck erfüllen die Fitnessgeräte am Strand noch immer. Gewichte stemmen hier nicht etwa nur junge Bodybuilder, sondern ebenso viele rüstige Rentner, die sich mit dieser morgendlichen Routine fit halten. Respekt!


Hier in der Region kommt in Punkto Gesundheitspflege neben der täglichen Dosis an Bewegung aber noch ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu: die Ernährung. Vielen der Meeresfrüchte, die hier ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan stehen, wird in der traditionellen chinesischen Medizin eine gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen; und Fisch, der hier quasi direkt vor der eigenen Haustür gefischt wird und deshalb viel öfter als Fleisch auf den Tisch kommt, ist ohnehin gesund. 


Das Wichtigste aber: Die Qingdaoer trinken – entgegen der ersten Vermutung – eben nicht nur das Bier, für das sie berühmt sind (immerhin wird das gute „Tsingtao“, ein Kind der kolonialen Ambitionen des Deutschen Reichs, in China-Restaurants rund um den Globus gereicht). Viel wichtiger ist für die gesundheitsbewussten Rentner nach ihrem Frühsport die Tasse Tee, die oft noch gemeinsam genossen wird. Besonders kostbar gilt die Frühjahrsernte des grünen Tees, der in der Region angebaut wird und in diesen Wochen zum ersten Mal in diesem Jahr abgeerntet werden kann.

In Qingdao lässt es sich tatsächlich gut leben. Für uns war die Woche nach der hektischen und oft lauten Ankunft im 675 Kilometer entfernten Peking eine Wohltat, und auch die Einheimischen zählen, wie Umfragen ergeben, zu den glücklichsten Chinesen des Landes. Ihre Stadt weist übrigens auch heute noch, etwas mehr als 100 Jahre nach dem Ende der deutschen Zeit in Ostchina, viele europäische Züge auf: So entdeckt der Besucher nicht selten ein Fachwerkhaus oder geziegelte Dächer, wie sie sonst nur bei uns Zuhause zu finden sind. 





(Wie sehr die Deutschen die Stadt geprägt haben, zeigt sich übrigens auch im Dialekt: Der Gulli heißt hier doch tatsächlich „guli“.)

Doch trotz aller Begeisterung für das so saubere, leere Städtchen (im Vergleich zu Peking :-)): Einen Trugschluss gab es dann doch noch. Und zwar die Annahme, dass die Seeluft so viel frischer war als das, was wir für gewöhnlich in Peking einatmen. Als wir nach einem vermeintlich „nebeligen“ Tag die Luftqualität prüften, wurde uns klar, dass der „Nebel“ Qingdaos an diesem Tag auch der Luftverschmutzung geschuldet war. Tatsächlich wurden Feinstaub-Werte von über 150 gemessen – mehr noch als in Peking zur gleichen Zeit! Ein Wunder, welche Tricks unsere Fantasie, blauer Himmel und ein wenig Meeresrauschen uns spielen können…  




Sonntag, 19. April 2015

Das Wochenende ausklingen lassen




Was darf am Sonntagabend auf keinen Fall fehlen? Richtig, der Tatort. Ganz gleich, ob Alpenvorland oder Küste, ob deutsche Großstadt oder tiefste Provinz, um 20.15 Uhr wird an die TV-Ermittler übergeben. 

Auch für viele Deutsche, die im Ausland leben, darf dieses Ritual nicht fehlen. Etwa hier in Peking: Rund 3000 Deutsche leben in der Stadt; gut zwei Dutzend von ihnen treffen sich einmal im Monat, um ihren Lieblingsermittlern zuzuschauen. Sonntagabend, 20.15 Uhr. Und ich war heute Abend dabei :)
Dass es in Deutschland erst 14.15 Uhr war und der Tatort der vergangenen Woche lief, hat hier niemanden interessiert... 

Im „Zeit Berlin“ findet das regelmäßige Happening statt. Begrüßt werden die Gäste auf Deutsch, serviert werden Currywurst, Schnitzel und Weißbier. 


Und eben der Tatort: „Für mich ist das ein absolutes Muss“, sagt Frank. Der deutsche Student ist bereits zum zweiten Mal dabei. „Da kommen Heimatgefühle hoch.“

Mit genau diesen spielt übrigens die gesamte „Expat-Branche“, also jene Geschäfte, die sich speziell auf die Expatriate - oft von ihren Firmen entsandte, hoch qualifizierte internationale Arbeitskräfte - spezialisiert hat. So gibt es in Peking beispielsweise ein German Center, in dem deutsche Firmen, die Handelskammer, der Akademische Austauschdienst etc. untergebracht sind. Es gibt deutsche Ärzte, deutsche Anwälte, einen deutschen Pfarrer, den deutschen Bäcker und deutsche Restaurants. Im Paulaner Bräuhaus kann man das Oktoberfest feiern.

Auch am Samstagabend, als ich mit einigen Kollegen in einer kleinen Szene-Kneipe einem Konzert gelauscht habe, war ich als Europäerin definitiv in der Überzahl. 


Den „Tatort“ zeigt die deutsche Kneipe, deren Räume Charlottenburg, Steglitz oder Wedding heißen, seit einem halben Jahr. Key Wang, Tochter der Inhaber, kümmert sich über die Social Media-Kanäle darum, dass alle Deutschen Bescheid wissen. Gemeinsam mit Dietmar Renner hat sie den Tatort-Abend ins Haus geholt – und mittlerweile einen festen Fankreis von rund 25 Leuten um sich geschart.

„Ich wollte bei meinen Auslandsaufenthalten schon immer auch ein Stück deutsche Kultur vermitteln“, sagt Dietmar, der im IT-Support der Deutschen Schule in Peking arbeitet. „Und was eignet sich da besser als der Tatort?“ Alle vier Jahre zieht der Initiator gemeinsam mit seiner Frau, die für das Deutsche Amt tätig ist, weiter. Als nächstes wird der „Tatort“ in der Türkei gezeigt.