Freitag, 24. April 2015

Qingdao: Ein Stück Deutschland in China


Aufatmen und Seeluft genießen! Das war unser erster Gedanke, als meine Kollegen und ich zu Beginn der Woche in der ostchinesischen Küstenstadt Qingdao ankamen. Nach der ersten leidvollen Begegnung mit Pekings Smog genossen wir den blauen Himmel und konnten gar nicht genug bekommen von der frischen Meeresbrise.

Damit waren wir auch nicht die einzigen: Schon am frühen Morgen war der Strand in der ehemaligen deutschen Kolonie belebt - nicht nur dank der rund 40 Millionen Touristen, die die Stadt jedes Jahr besuchen, sondern vor allem dank der rüstigen Einheimischen, die sich mit ihrer morgendlichen Gymnastik am Strand fithalten. Da sind Jogger ebenso zu beobachten wie Volleyballspieler, tapfere Schwimmer im noch eisig kalten Meer ebenso wie sanft übende Tai Chi-Gruppen.

Am meisten überrascht hat mich jedoch das Open-Air-Fitnessstudio am Badestrand: Sichtlich in die Jahre gekommen, zum Teil verrostet, die Polster zerschlissen – doch ihren Zweck erfüllen die Fitnessgeräte am Strand noch immer. Gewichte stemmen hier nicht etwa nur junge Bodybuilder, sondern ebenso viele rüstige Rentner, die sich mit dieser morgendlichen Routine fit halten. Respekt!


Hier in der Region kommt in Punkto Gesundheitspflege neben der täglichen Dosis an Bewegung aber noch ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu: die Ernährung. Vielen der Meeresfrüchte, die hier ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan stehen, wird in der traditionellen chinesischen Medizin eine gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen; und Fisch, der hier quasi direkt vor der eigenen Haustür gefischt wird und deshalb viel öfter als Fleisch auf den Tisch kommt, ist ohnehin gesund. 


Das Wichtigste aber: Die Qingdaoer trinken – entgegen der ersten Vermutung – eben nicht nur das Bier, für das sie berühmt sind (immerhin wird das gute „Tsingtao“, ein Kind der kolonialen Ambitionen des Deutschen Reichs, in China-Restaurants rund um den Globus gereicht). Viel wichtiger ist für die gesundheitsbewussten Rentner nach ihrem Frühsport die Tasse Tee, die oft noch gemeinsam genossen wird. Besonders kostbar gilt die Frühjahrsernte des grünen Tees, der in der Region angebaut wird und in diesen Wochen zum ersten Mal in diesem Jahr abgeerntet werden kann.

In Qingdao lässt es sich tatsächlich gut leben. Für uns war die Woche nach der hektischen und oft lauten Ankunft im 675 Kilometer entfernten Peking eine Wohltat, und auch die Einheimischen zählen, wie Umfragen ergeben, zu den glücklichsten Chinesen des Landes. Ihre Stadt weist übrigens auch heute noch, etwas mehr als 100 Jahre nach dem Ende der deutschen Zeit in Ostchina, viele europäische Züge auf: So entdeckt der Besucher nicht selten ein Fachwerkhaus oder geziegelte Dächer, wie sie sonst nur bei uns Zuhause zu finden sind. 





(Wie sehr die Deutschen die Stadt geprägt haben, zeigt sich übrigens auch im Dialekt: Der Gulli heißt hier doch tatsächlich „guli“.)

Doch trotz aller Begeisterung für das so saubere, leere Städtchen (im Vergleich zu Peking :-)): Einen Trugschluss gab es dann doch noch. Und zwar die Annahme, dass die Seeluft so viel frischer war als das, was wir für gewöhnlich in Peking einatmen. Als wir nach einem vermeintlich „nebeligen“ Tag die Luftqualität prüften, wurde uns klar, dass der „Nebel“ Qingdaos an diesem Tag auch der Luftverschmutzung geschuldet war. Tatsächlich wurden Feinstaub-Werte von über 150 gemessen – mehr noch als in Peking zur gleichen Zeit! Ein Wunder, welche Tricks unsere Fantasie, blauer Himmel und ein wenig Meeresrauschen uns spielen können…  




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