Sonntag, 5. April 2015

Willkommen im Leben!


Meine Ankunft war schön, schrecklich, dreckig, aufregend, anstrengend – chinesisch eben.
Drei Monate werde ich in Peking leben und arbeiten. Und auch wenn (oder gerade weil) noch nicht gesackt ist, dass dies mein neues Leben ist, fühlt sich gerade alles noch sehr fremd und aufregend an.
Schon einen Tag vor meinem Abflug hatte ich erfahren, dass man meine Studienfreundin und neue WG-Mitbewohnerin Julia und mich wohl übers Ohr gehauen hatte: Statt wie üblich eine zum Leben ausgestattete Wohnung als „möbliert“ anzubieten, kam Julia am Dienstag in einer völlig leeren Wohnung an. Betten, zwei kleine Kleiderschränke, ein Schreibtisch, ein Sofa, ein Tisch, drei Stühle – das war’s. Kein Messer, kein Kochtopf, kein Mülleimer, kein Besen.

Nachdem wir die Wohnung gemeinsam gründlich inspiziert haben, denken wir jetzt aber, dass wir das vielleicht auch gar nicht gewollt hätten. Denn nicht nur aus dem Kühlschrank kam ein unverwechselbarer Geruch (Déjà-Vu), die Küchenzeile strotzte vor Dreck (weiße Ränder im schwarzen, klebrigen, jedes Regalbrett überziehenden Schmutz – genau dort, wo die Gläser gestanden hatten), und an den Wänden in meinem Zimmer hatte sich scheinbar das Kind der Vormieter ausgetobt (nebst einigen Hiphop-Künstlern, die ihre Graffitis an Wand und Kleiderschrank hinterlassen haben). Ob es die Kinder oder die Gangster waren, die irgendwann wohl einmal die Tür eingetreten haben, bleibt wohl das Geheimnis dieser vier Wände.
Im Supermarkt kam dann die Erfahrung ans Tageslicht: Den Chlorreiniger konnte ich dank meinen Erfahrungen aus dem Auslandssemester 2009/10 fast instinktiv aus dem Regalbrett greifen, dazu ein kräftiger WC-Reiniger und einige andere Fläschchen, die es so braucht. Lappen hatte ich in weiser Voraussicht zu Genüge aus Deutschland mitgebracht, und so begann die fröhliche Putzparty.

Igitt! So viel gab es in den Küchenschränken zu putzen... :)

Tatsächlich haben wir es nach Stunden und mittlerweile Tagen geschafft, es uns wohnlich zu machen. Da auch Julia nicht in der Wohnung bleiben will, wollen wir natürlich nichts in die Wohnung investieren – aber es braucht ja auch nicht immer viel. Und so haben wir im Wohnzimmer kurzerhand einen Stadtplan zur Dekoration aufgehängt, die Küche nach dem Schrubben mit meinem aus der Heimat mitgebrachten halben Hausstand ausgestattet und in meinem Zimmer jedes einzelne Graffiti mit einem Foto überklebt. Den Schrank konnte ich mit Nagellackentferner sogar von seinen Edding-Spuren befreien!  Und nachdem die dunkelrote Bettwäsche aufgezogen war, standen Julia und ich staunend vor dem Zimmer: Die passt farblich nämlich sogar zum Kleiderschrank, der mit Folie im bordeauxfarbenen Mahagoni-Look überzogen ist.

Geschafft: Dieses Zimmer ist in den kommenden Monaten mein neues Zuhause...

Was gäbe es wohl Schöneres, als sich nach solch einer anstrengenden Putzorgie ins Bett fallen zu lassen? Ahh… Doch weit gefehlt. Auf mein Bett fallen lassen sollte man sich lieber nicht, sogar einem gut gepolsterten Hintern droht dabei eine Steißbein-Fraktur. Denn die Auflage – ich verwende dieses Wort in dem Zusammenhang lieber als Matratze – ist rund sieben Zentimeter hoch, mit kruschpelndem Plastik überzogen und steinhart. Tatsächlich eine traditionell chinesische Matratze, denn sogar „weiche“ Betten sind hierzulande ungefähr so weich wie unsere härtesten Matratzen.
Nach zwei Nächten will ich mir noch immer sagen, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist und man sich an alles gewöhnen kann – und für den Rücken soll das ja sogar gut sein! Nach einer weichen Auflage, wie es sie mittlerweile vielerorts gibt, werde ich trotzdem die Augen offen halten. Sie könnte doch eine Investition sein, die ich trotz der kurzen Aufenthaltsdauer tätige…

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