Samstag, 25. April 2015

Wenn eine(r) eine Reise tut...

Gut 2500 Kilometer in einer Woche - klingt viel, ist es auch. Und genau das ist mein Ziel für die kommenden sieben Tage.

Seit gestern bin ich wieder allein unterwegs. Das ist schön, heißt es doch, Pause machen und innehalten zu können, wann immer man es mag. Andererseits muss ich sagen, dass die gemeinsame Woche in Qingdao großen Spaß gemacht hat. Unsere Journalisten-Gruppe harmonisiert so toll, dass sogar ich, die ja doch ab und zu Einzelgänger-Bestrebungen aufweist, den freien Tag mit den anderen Stipendiaten der Robert-Bosch-Stiftung verbracht habe!

Jetzt bin ich also wieder auf mich allein gestellt. Und habe in den kommenden Tagen bis zum Start des zweiten Unterrichtsblocks an der Tsinghua Universität in Peking allerhand vor...

Mein Vorsatz: Ich will die Reise so günstig wie möglich begehen. Der moderne, komfortable Hochgeschwindigkeitszug, der mittlerweile viele Städte verbindet, ist damit Tabu - ebenso wie Hotelzimmer. Stattdessen habe ich mich in Jugendherbergen eingemietet und reise auf dem "Hard Seat", der günstigsten Kategorie der alten Züge. Mit allen Bekanntschaften, Essensgeräuschen und -gerüchen, die diese Art der Reise beinhaltet.

Bon voyage! :)


Freitag, 24. April 2015

Qingdao: Ein Stück Deutschland in China


Aufatmen und Seeluft genießen! Das war unser erster Gedanke, als meine Kollegen und ich zu Beginn der Woche in der ostchinesischen Küstenstadt Qingdao ankamen. Nach der ersten leidvollen Begegnung mit Pekings Smog genossen wir den blauen Himmel und konnten gar nicht genug bekommen von der frischen Meeresbrise.

Damit waren wir auch nicht die einzigen: Schon am frühen Morgen war der Strand in der ehemaligen deutschen Kolonie belebt - nicht nur dank der rund 40 Millionen Touristen, die die Stadt jedes Jahr besuchen, sondern vor allem dank der rüstigen Einheimischen, die sich mit ihrer morgendlichen Gymnastik am Strand fithalten. Da sind Jogger ebenso zu beobachten wie Volleyballspieler, tapfere Schwimmer im noch eisig kalten Meer ebenso wie sanft übende Tai Chi-Gruppen.

Am meisten überrascht hat mich jedoch das Open-Air-Fitnessstudio am Badestrand: Sichtlich in die Jahre gekommen, zum Teil verrostet, die Polster zerschlissen – doch ihren Zweck erfüllen die Fitnessgeräte am Strand noch immer. Gewichte stemmen hier nicht etwa nur junge Bodybuilder, sondern ebenso viele rüstige Rentner, die sich mit dieser morgendlichen Routine fit halten. Respekt!


Hier in der Region kommt in Punkto Gesundheitspflege neben der täglichen Dosis an Bewegung aber noch ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu: die Ernährung. Vielen der Meeresfrüchte, die hier ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan stehen, wird in der traditionellen chinesischen Medizin eine gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen; und Fisch, der hier quasi direkt vor der eigenen Haustür gefischt wird und deshalb viel öfter als Fleisch auf den Tisch kommt, ist ohnehin gesund. 


Das Wichtigste aber: Die Qingdaoer trinken – entgegen der ersten Vermutung – eben nicht nur das Bier, für das sie berühmt sind (immerhin wird das gute „Tsingtao“, ein Kind der kolonialen Ambitionen des Deutschen Reichs, in China-Restaurants rund um den Globus gereicht). Viel wichtiger ist für die gesundheitsbewussten Rentner nach ihrem Frühsport die Tasse Tee, die oft noch gemeinsam genossen wird. Besonders kostbar gilt die Frühjahrsernte des grünen Tees, der in der Region angebaut wird und in diesen Wochen zum ersten Mal in diesem Jahr abgeerntet werden kann.

In Qingdao lässt es sich tatsächlich gut leben. Für uns war die Woche nach der hektischen und oft lauten Ankunft im 675 Kilometer entfernten Peking eine Wohltat, und auch die Einheimischen zählen, wie Umfragen ergeben, zu den glücklichsten Chinesen des Landes. Ihre Stadt weist übrigens auch heute noch, etwas mehr als 100 Jahre nach dem Ende der deutschen Zeit in Ostchina, viele europäische Züge auf: So entdeckt der Besucher nicht selten ein Fachwerkhaus oder geziegelte Dächer, wie sie sonst nur bei uns Zuhause zu finden sind. 





(Wie sehr die Deutschen die Stadt geprägt haben, zeigt sich übrigens auch im Dialekt: Der Gulli heißt hier doch tatsächlich „guli“.)

Doch trotz aller Begeisterung für das so saubere, leere Städtchen (im Vergleich zu Peking :-)): Einen Trugschluss gab es dann doch noch. Und zwar die Annahme, dass die Seeluft so viel frischer war als das, was wir für gewöhnlich in Peking einatmen. Als wir nach einem vermeintlich „nebeligen“ Tag die Luftqualität prüften, wurde uns klar, dass der „Nebel“ Qingdaos an diesem Tag auch der Luftverschmutzung geschuldet war. Tatsächlich wurden Feinstaub-Werte von über 150 gemessen – mehr noch als in Peking zur gleichen Zeit! Ein Wunder, welche Tricks unsere Fantasie, blauer Himmel und ein wenig Meeresrauschen uns spielen können…  




Sonntag, 19. April 2015

Das Wochenende ausklingen lassen




Was darf am Sonntagabend auf keinen Fall fehlen? Richtig, der Tatort. Ganz gleich, ob Alpenvorland oder Küste, ob deutsche Großstadt oder tiefste Provinz, um 20.15 Uhr wird an die TV-Ermittler übergeben. 

Auch für viele Deutsche, die im Ausland leben, darf dieses Ritual nicht fehlen. Etwa hier in Peking: Rund 3000 Deutsche leben in der Stadt; gut zwei Dutzend von ihnen treffen sich einmal im Monat, um ihren Lieblingsermittlern zuzuschauen. Sonntagabend, 20.15 Uhr. Und ich war heute Abend dabei :)
Dass es in Deutschland erst 14.15 Uhr war und der Tatort der vergangenen Woche lief, hat hier niemanden interessiert... 

Im „Zeit Berlin“ findet das regelmäßige Happening statt. Begrüßt werden die Gäste auf Deutsch, serviert werden Currywurst, Schnitzel und Weißbier. 


Und eben der Tatort: „Für mich ist das ein absolutes Muss“, sagt Frank. Der deutsche Student ist bereits zum zweiten Mal dabei. „Da kommen Heimatgefühle hoch.“

Mit genau diesen spielt übrigens die gesamte „Expat-Branche“, also jene Geschäfte, die sich speziell auf die Expatriate - oft von ihren Firmen entsandte, hoch qualifizierte internationale Arbeitskräfte - spezialisiert hat. So gibt es in Peking beispielsweise ein German Center, in dem deutsche Firmen, die Handelskammer, der Akademische Austauschdienst etc. untergebracht sind. Es gibt deutsche Ärzte, deutsche Anwälte, einen deutschen Pfarrer, den deutschen Bäcker und deutsche Restaurants. Im Paulaner Bräuhaus kann man das Oktoberfest feiern.

Auch am Samstagabend, als ich mit einigen Kollegen in einer kleinen Szene-Kneipe einem Konzert gelauscht habe, war ich als Europäerin definitiv in der Überzahl. 


Den „Tatort“ zeigt die deutsche Kneipe, deren Räume Charlottenburg, Steglitz oder Wedding heißen, seit einem halben Jahr. Key Wang, Tochter der Inhaber, kümmert sich über die Social Media-Kanäle darum, dass alle Deutschen Bescheid wissen. Gemeinsam mit Dietmar Renner hat sie den Tatort-Abend ins Haus geholt – und mittlerweile einen festen Fankreis von rund 25 Leuten um sich geschart.

„Ich wollte bei meinen Auslandsaufenthalten schon immer auch ein Stück deutsche Kultur vermitteln“, sagt Dietmar, der im IT-Support der Deutschen Schule in Peking arbeitet. „Und was eignet sich da besser als der Tatort?“ Alle vier Jahre zieht der Initiator gemeinsam mit seiner Frau, die für das Deutsche Amt tätig ist, weiter. Als nächstes wird der „Tatort“ in der Türkei gezeigt.

Mittwoch, 15. April 2015

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

In Peking steht und fällt alles mit dem Wetter. In den vergangenen Tagen ist es frühlingshaft warm geworden, und auch die Abende sind schon wesentlich milder als bei meiner Ankunft, als eine Strickjacke beim abendlichen Essengehen keinesfalls fehlen durfte.


Und doch steht und fällt alles mit dem Wetter, genauer gesagt mit Smog, Wind und Co. 

Ist es windig oder vertreibt ein wenig Regen den sonst eigentlich immer herrschenden Smog, so kommt in diesen Wochen nicht selten die Sonne heraus und wir genießen neben den milden Temperaturen wunderschöne Frühlingstage.

 

Doch wenn sich der Smog über die Stadt legt, helfen auch die mildesten Temperaturen nichts – im Gegenteil, die Luft ist dann drückend, schwül, auch beim tiefen Durchatmen hat man das Gefühl, dass nur ein Bruchteil der Luft in den Lungen ankommt. 


Lustigerweise ist der Smog übrigens nicht nur hier in China ein Thema. „Paris ringt um Luft“ titelte die FAZ Ende März. Die französische Hauptstadt kämpfte da kurze Zeit gegen den Feinstaub: Vorübergehen durften sogar nur Autos mit ungeradem Nummernschild nach Paris. Für das europäische Umland klang das nach dramatischen Nachrichten – hier in China konnte man angesichts der gemessenen Werte jedoch nur müde lächeln (oder aufatmen, haha).

Denn während Paris bei Feinstaubkonzentrationen von maximal 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft röchelte, gelten diese Werte – obwohl die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dabei bereits bei Weitem überschritten ist – hierzulande als normal. In Peking haben wir heute Abend einen Höchstwert von 648 gemessen – und damit sind alleine die sogenannten PM 2,5-Teilchen gemeint. Diese als Feinstaub bezeichnete Staubfraktion enthält 50 Prozent der Teilchen mit einem Durchmesser von 2,5 µm, einen höheren Anteil kleinerer Teilchen und einen niedrigeren Anteil größerer Teilchen. PM 2,5 ist eine Teilmenge von den sogenannten PM 10 – bezieht man diese mit ein, ist man sogar bei 895. Dunkelrote Werte! Denn ab 300 gelten die Werte laut WHO als höchstgefährlich, alle Bevölkerungsstufen können demnach gesundheitliche Schäden davon tragen.

Hoffen wir also, dass es morgen wieder klarer wird! :-)


Samstag, 11. April 2015

Besuch im Nationalmuseum


Wochenende! Mein erstes "richtiges" in China, immerhin hat sich vergangene Woche noch alles wie Urlaub angefühlt. Jetzt aber, nach der ersten Woche voller spannender Vorträge und aufregender neuer Eindrücke, fühlen sich zwei freie Tage toll an. Doch faul herumsitzen oder den Samstag im Bett verbringen, war für mich keine Option! Schließlich habe ich "nur" zwölf Wochen, um die Stadt aufs Neue zu erkunden. 

Also habe ich heute einen Besuch nachgeholt, der während meines Auslandssemesters vor fünf Jahren doch tatsächlich vergessen ging: Ich habe das Nationalmuseum nicht nur von außen gesehen, sondern mir endlich auch einmal alle Exponate angeschaut. Okay, um ehrlich zu sein, habe ich mir nur einen Bruchteil der Exponate angesehen. Denn das chinesische Nationalmuseum, zentral am Tian'an Men gelegen, ist mit einer Gesamtfläche von knapp 195.000 Quadratmetern das weltweit größte Museumsgebäude. 


Und genau diese Größe war es auch, die mich am meisten beeindruckt. Denn die schier unfassbare Größe der Hallen und Treppenaufgänge, der Blick hinab - all das war fast spektakulärer als die Exponate, die vor allem historische Fundstücke, etwa Bronzen, Keramiken, Siegel oder Textdokumente aus den verschiedenen Dynastien umfassen.

Viele der ausgestellten Gegenstände gelten aber als nationale Kostbarkeiten. So werden zum Beispiel die legendären fossilen Überreste des Yuanmou- und des Beijing-Menschen in dem Museum aufbewahrt.




Nichtsdestotrotz: Nach gut vier Stunden  wich die Begeisterung der Erschöpfung... Und so sind meine zwei Kollegen und ich mit platten Füßen und viel neuem Input aufgebrochen - mit dem Gefühl, diesen Samstag richtig gut genutzt zu haben.


Donnerstag, 9. April 2015

Der Campus der Elite

Nicht nur der jetzige Staatspräsident Xi Jinping zählt zu ihren Absolventen, auch sein Vorgänger Hu Jintao besuchte als Student die Tsinghua Universität in Peking. Ein Fakt, auf den die traditionsreiche Hochschule stolz ist: "Die Tsinghua ist die renommierteste Uni im gesamten Land", schwärmte uns zu Beginn einer super interessanten Vortragswoche der Professor der Journalismus-Fakultät vor. "Und unser Campus wird immer wieder als schönster Chinas gewählt, im internationalen Ranking hat er jüngst Platz 14 belegt."

Tatsächlich gilt die Tsinghua Daxue  清华大学 zu den selektivsten und renommiertesten Universitäten in China. Nationale und internationale Rankings zählen die Hochschule mit großem Abstand zur führenden technischen und naturwissenschaftlichen Universität Chinas und zusammen mit der Peking Universität als eine der insgesamt zwei besten Universitäten des Landes. "Das MIT Chinas", betonte der Dozent - und bezog sich damit ganz unbescheiden auf das Massachusetts Institute of Technology, eindeutig eine der führenden Eliteuniversitäten.


Als Medienbotschafter der Robert-Bosch-Stiftung sind wir insgesamt vier Wochen am "chinesischen MIT" - das mit seiner Journalismus-Fakultät übrigens keinesfalls alleine ist. Insgesamt rund 930 Studiengänge, Programme oder Kurse gibt es heute in ganz China.

Dass diese jedoch nicht immer mit der deutschen Ausbildung - bei uns ist das kritische Hinterfragen von Gegebenheiten schließlich ein essenzieller Bestandteil des Studiums - zu vergleichen sind, darüber sprechen einige unserer Dozenten ganz offen. Im geschützten Raum ("Die Türen sind geschlossen" hören wir immer wieder) halten einige der Redner zwar weiterhin die offizielle Parteimeinung hoch, andere sprechen ganz offen über ihre Schwierigkeiten in der Arbeit - sowohl als deutsche Korrespondenten vor Ort als auch als chinesische Journalisten.

Ab und zu verlassen wir den Campus aber auch für eine Exkursion - so waren wir gestern beispielsweise in der Deutschen Botschaft und besuchen heute die EU-Niederlassung in Peking. Hören dort einige, dass wir einen Besuch an der Tsinghua besuchen, bekommen tatsächlich viele Gesprächspartner große Augen...

Mittwoch, 8. April 2015

Tolle Aussicht vom Kohlehügel (景山, Jing Shan)



Tief durchatmen! Von Smog war in den vergangenen Tagen keine Spur... und so haben meine Freundin und Mitbewohnerin Julia, ihre Freundin Sarah, die gerade zu Besuch war, und ich die Zeit genutzt, um auf den berühmten Kohlehügel zu steigen.

Der zentrale, 43 Meter hohe Aussichtshügel nördlich des Kaiserpalasts, der auf chinesisch "Jing shan" ("Aussichtshügel") heißt, verdankt seine heutige Größe dem Aushub bei der Anlage des Palastgrabens. Da hier zur Mongolenzeit Kohle gelagert wurde, erhielt er im Volksmund die Bezeichnung "Mei shan", "Kohlehügel".

Der mit einem Pavillon gekrönte Gipfel liegt direkt auf der Nord-Süd-Achse der Stadt - und bietet bei solch strahlendem Sonnenschein eine einmalige Aussicht!



Dienstag, 7. April 2015

Meine chinesische Nachbarschaft




So chinesisch wie meine harte Matratze ist auch die Nachbarschaft – und genau deswegen liebe ich sie. Vor unserem Haus ist immer Leben: Da putzt der Fahrrad-Riksha-Fahrer bei Sonnenschein sein Gefährt, hier halten zwei Chinesinnen einen Plausch, und gegenüber liefert ein alter Mann auf seinem Karren noch mehr Steine für die Baustelle an. Julia mit ihren blonden Haaren und ich mit meinem Lockenkopf sind weit und breit die einzigen Ausländer (von denen es in Peking mittlerweile allerhand gibt!!) und werden dementsprechend mal ehrfürchtig beäugt, mal schüchtern gegrüßt, aber immer interessiert und offen behandelt. 


Gleich über die Straße ist man schon in Teilen von Pekings Altstadt, hier stehen dicht an dicht die traditionellen einstöckigen Häuschen in engen Gassen, den Hutongs, gedrängt. Für 20 Yuan, das sind ungefähr drei Euro, bekommt man hier – trotz der enorm gestiegenen Kosten im Vergleich zu vor fünf Jahren – noch immer ein leckeres Abendessen mit Bier. Wenn man denn bereit dazu ist, mal auf einem unbequemen Höckerchen zu sitzen... :)